Ernährung

Tiger ernähren sich vor allem von großen Säugetieren, die in der Regel angepirscht und nach einem kurzen Spurt überwältigt werden. Huftiere wie Hirsche, Wildrinder und Wildschweine stellen die Hauptbeute dar, einen geringeren Teil der Nahrung machen auch kleinere Säuger wie Hasen und Kaninchen, des Weiteren Vögel, aber auch Reptilien bis hin zu größeren Krokodilen aus. Der Tiger kann im Alleingang auch so mächtige Tiere wie Gaurbullen erlegen.

Beutespektrum

Zusammensetzung der Tigerbeute nach Biomasse in verschiedenen Reservaten

Die wichtigsten Beutetiere des Tigers sind im gesamten Verbreitungsgebiet Hirsche und Wildschweine. In den Nationalparks auf dem indischen Subkontinent, etwa in Chitwan (Nepal), Nagahole (Indien) und Kanha (Indien), machen größere Hirsche (Axishirsch, Sambarhirsch, Barasingha) deutlich mehr als die Hälfte der Biomasse der Tigerbeute aus. Insbesondere in Nagarhole stellt darüber hinaus der riesige Gaur einen großen Anteil der Tigerbeute. Weitere wichtige Beutetiere der Region sind Wildschweine, Schweinshirsche und Muntjakhirsche, während Stachelschweine, Hasen und Languren unter anderem aufgrund ihrer geringen Größe einen relativ geringen Teil der Tigernahrung dieser Reservate ausmachen.[56] In einigen Gebieten des indischen Subkontinents stellen auch Antilopen, insbesondere die Nilgauantilope, wichtige Beutetiere dar.[57] Im thailändischen Huai-Kha-Kaeng-Wildreservat setzt sich die Hauptnahrung des Tigers abwechslungsreich aus Sambarhirschen, Muntjakhirschen, Wildschweinen, Stachelschweinen und Schweinsdachsen zusammen. Im Sichote-Alin-Naturreservat im russischen Fernen Osten besteht die Hauptmasse der Nahrung dagegen aus Isubrahirschen und Wildschweinen. Insgesamt hängt die Existenz des Tigers vom Vorkommen relativ großer Beutetiere wie Hirschen und Wildschweinen ab. Die erloschenen Vorkommen des Kaspischen Tigers deckten sich beispielsweise ebenfalls mit den Beständen von Bucharahirschen, Rehen und Wildschweinen in den Flusswäldern der ansonsten trockenen Region Vorderasiens.[56] In Tadschikistan stellte der Kaspische Tiger einst auch Kropfgazellen und Rotfüchsen nach, an Flussläufen in der Steppe der ehemaligen Sowjetunion soll er sogar Jagd auf Saigaantilopen gemacht haben. Tiger können Beutetiere erlegen, die ihr eigenes Gewicht um ein Mehrfaches übertreffen. Regelmäßig werden etwa große Wildrinder wie Arnibüffel und Gaure erlegt, wobei meist Kühe und Kälber gerissen werden. Gelegentlich reißen Tiger auch Schabrackentapire und bisweilen selbst junge Panzernashörner, die sich zu weit von der Mutter entfernt haben. Angriffe auf wilde Elefanten sind äußerst selten und beschränken sich in der Regel auf Kälber, obwohl sogar glaubwürdige Berichte von erfolgreichen Angriffen auf ausgewachsene Bullen existieren. In manchen Populationen machen auch Bären einen Anteil der Beute aus. Während die Indischen Lippenbären offenbar selten Opfer von Tigern werden, zählen Kragenbären und seltener auch Braunbären zu den potentiellen Beutetieren der Sibirischen Amurtiger. Insgesamt stellen Bären im Fernen Osten Russlands etwa 5 bis 8 % der Tigerbeute dar, wobei auch ausgewachsene Braunbären erlegt werden.[57][58]

Sambarhirsche, wie dieser im Nagarhole-Nationalpark, sind typische Beutetiere des Tigers

Im russischen fernen Osten reißt der Tiger neben Isubrahirschen und Wildschweinen vor allem Elche, Sikahirsche, Moschustiere, Rehe und Gorale,[9] gelegentlich auch Nordluchse, Dachse, Hasen und sogar Haselhühner. In ähnlicher Weise erlegt der Tiger in Indien gelegentlich Kleintiere, wie Nager, Schildkröten, Fische und sogar Heuschrecken und Frösche. Auch Fleischfresser wie größere Krokodile werden bisweilen erlegt, Leoparden werden meist als Nahrungskonkurrenten getötet, seltener auch gefressen. Darüber hinaus werden auch Früchte und Gräser aufgenommen. Aas scheint der Tiger weniger bereitwillig zu fressen als etwa der Löwe. Kannibalismus kommt vor, doch werden im Normalfall nur Jungtiere von fremden Männchen oder tot aufgefundene Artgenossen gefressen.[57]

Darüber hinaus greift der Tiger bisweilen Nutztiere an. Insbesondere Hunde und größere Huftiere wie Ziegen, Schafe, Rinder, Hauswasserbüffel, Esel und Pferde werden erbeutet. Während Angriffe auf Haustiere normalerweise die Ausnahme darstellen, gibt es insbesondere in Indien Tiger, die sich auf diese Art des Nahrungserwerbs spezialisiert haben. Sie werden im Unterschied zu den Tieren, die von wildlebender Beute leben (game killer), als Viehtöter (cattle killer) bezeichnet.[57]

Jagdtechniken

Südchinesischer Tiger mit erlegtem Beutetier. Die Tiere werden in Südafrika für eine spätere Auswilderung in China vorbereitet.

Tiger schleichen sich an ihre Beute heran oder lauern ihr auf und fallen sie nach wenigen Sätzen oder einem kurzen Spurt an.[56] Im Gegensatz zum Löwen scheinen Tiger die Windrichtung bei der Jagd zu berücksichtigen und nähern sich bevorzugt gegen den Wind. Dabei nähert sich der Räuber geduckt und versucht, sich dem Opfer auf durchschnittlich etwa zehn bis 35 m zu nähern. Falls die Distanz zu groß ist und sich keine weitere Deckung bietet, wartet der Tiger, bis sich das Opfer gegebenenfalls von selbst nähert. Der Angriff erfolgt in vollem Spurt, bei kurzer Distanz, im tiefen Schnee oder unwegsamen Gelände auch in großen Sätzen. Falls der Tiger das Opfer nicht sofort erreicht, verfolgt er es maximal 100 bis 200 m. Danach bricht er die Verfolgung normalerweise ab. Hat er das Beutetier erreicht, versucht er größere Tiere meist durch die Wucht des Aufpralls zu Boden zu reißen. In der Regel greift er bei größeren Tieren meist von unten oder der Seite an, um die Kehle mit dem Maul zu erreichen. Dabei wird das Opfer meist stranguliert. Die Pranken dienen dabei dazu, das Opfer festzuhalten. Kleinere Tiere werden meist durch Nackenbisse getötet. Gelegentlich beißt der Tiger auch bei größeren Beutetieren in den Nacken des Opfers, meist um die Wirbel durchzubeißen. Wirklich große Beutetiere wie ausgewachsene Wildrinder können aber auf diese Weise kaum getötet werden und werden daher durch Bisse in Kehle oder Maul angegriffen. Daneben kommt eine weitere Tötungsmethode in Betracht. So werden häufiger Beutetiere mit gebrochenem Genick aufgefunden, wobei unklar ist, ob dies unabsichtlich beim Aufprall oder gezielt geschieht. Wildrinder und Jungelefanten werden darüber hinaus auch von hinten angegriffen, mit dem Ziel, ihnen die Flechsen durchzubeißen. Bei der Jagd auf Bären greifen Tiger offenbar ebenfalls von hinten an, wobei sie versuchen, ihnen die Nackenwirbel durchzubeißen. Auch beim Angriff auf einen ausgewachsenen Elefanten, was nur in Ausnahmefällen vorkommt, muss der Tiger von hinten attackieren, um dem Rüssel zu entgehen. Offenbar erfolgen derartige Angriffe meist gemeinschaftlich. Ein Tiger lenkt dann den Elefanten ab, während ein anderer von hinten angreift. Nach einem Sprung auf den Rücken versucht die Katze, den Elefanten durch Bisse zu verwunden, was mehrmals wiederholt wird und so zur Erschöpfung und zu hohem Blutverlust des Tieres führt.[57]

Beutesicherung, Verzehr und Nahrungsbedarf

Tiger im Ranthambhore-Nationalpark mit erlegtem Wasserbüffelkalb

Das erlegte Beutetier wird in der Regel in ein geschütztes Versteck gezerrt, wobei selbst ausgewachsene Rinder mehrere hundert Meter weit geschleift werden können. Tiger beginnen meist am Hinterteil zu fressen, während Löwen in der Regel zuerst die Bauchhöhle öffnen. Der Räuber trinkt regelmäßig nach oder während des Fressens und verweilt normalerweise in der Nähe der Beute, bis diese verzehrt ist. Entfernt er sich weiter von seinem Riss, bedeckt er ihn mit Laub und Ästen. Bei größeren Beutetieren bleiben meist der Kopf und die Beine übrig. Ein Tiger kann bei einer einzigen Mahlzeit schätzungsweise 18 bis 27 kg, in Extremfällen vermutlich auch bis zu 40 kg zu sich nehmen.[57]

Ein Tigerweibchen benötigt pro Tag etwa 5 bis 6 kg Fleisch. Da von einem Kadaver durchschnittlich nur zwei Drittel verwertbar sind, muss das Tier im Jahr mindestens Beutetiere von einem Gesamtgewicht zwischen 2400 und 2850 kg zur Verfügung haben. Dies entspräche etwa einem Sambarhirsch von 200 kg alle vier Wochen beziehungsweise einem Muntjak alle zwei bis drei Tage. Während der Jungenaufzucht liegt der Fleischbedarf etwa um bis zu 50 % höher.[56] Ein Tigerweibchen in Sibirien, das Junge führt, benötigt rechnerisch etwa 5000 kg Fleisch pro Jahr, was etwa 50 großen Beutetieren mit einem Durchschnittsgewicht von 100 kg entspricht.[57] Nach dem Fressen säubert der Tiger sein Fell gründlich vom Blut des Opfers und anderem Schmutz durch Ablecken. Der Kopf wird mit der Vorderpranke gereinigt, die selbst wiederum immer wieder abgeleckt wird. Auch während der Ruhephasen säubert der Tiger auf diese Weise gelegentlich sein Fell.[8]

Ausscheidungen

Der Kot des Tigers ist länglich und misst etwa 35 bis 40 mm im Durchmesser. Er ist in der Regel von brauner bis schwarzer Färbung und besteht aus einer halbfesten pechartigen Masse, sofern die Nahrung vor allem aus Muskeln oder Blut bestand. Man findet darin meist unverdaute Nahrungsreste wie Haare oder Knochen.[8]

Menschenfressende Tiger

Menschen werden in den Sundarbans im Bereich des Gangesdelta sehr häufig, in anderen Gebieten Indiens gelegentlich, im sonstigen Verbreitungsgebiet sehr selten erbeutet. Die weitaus meisten Tigerüberfälle kommen in den Sundarbans vor. Um 1980 wurden dort Schätzungen zufolge pro Jahr etwa 100 Menschen von Tigern gerissen.[29] Normalerweise geht der Tiger dem Menschen aus dem Weg. Manche Tiger werden jedoch aus unbekannten Gründen zu nahezu reinen Menschenfressern. Mögliche Gründe für die Entwicklung zum sogenannten Maneater können Verletzungen oder das fortgeschrittene Alter des Tieres sein, wodurch ein Tiger gehindert ist, seine natürliche Beute in ausreichendem Maß zu erlegen. Einen Ausweg bietet in diesem Fall der Mensch, der viel langsamer und nicht so wehrhaft ist wie viele Beutetiere.[59] Tiger dringen im Gegensatz zu Leoparden sehr selten in menschliche Siedlungen ein. Sie töten im Grunde nur Menschen, die ihre Dörfer verlassen, wie beispielsweise Holzfäller und Honigsammler.