Turnen
In
der (Schul-)Bildung des 18. Jahrhunderts spielte die Leibesertüchtigung
praktisch keine Rolle. Lediglich auf den Ritterakademien wurden Fechten
und Tanzen gelehrt. Die so genannten „Philanthropen“ der Aufklärung
betrachteten dann den Geist und den Körper als eine Einheit,[1] weshalb
Leibesübungen zuerst in den 1770er Jahren am Philanthropinum in Dessau,
bald darauf auch in Schnepfenthal eingeführt wurden.
Historisch
begründet wurde die Turnbewegung 1807 in Deutschland vom „Turnvater“
Friedrich Ludwig Jahn. Zwar gab es schon vorher verschiedene Formen der
Gymnastik, doch fügte er den bis dahin bekannten Übungen den Barren und
das Reck hinzu und gab ihnen die Bezeichnung Turnen.[2] Infolge der
Besetzung Europas durch Napoleon wurde das Turnen ab 1811 eine Schule
der patriotischen Erziehung zur Vorbereitung auf den Befreiungskrieg.
Jahn strebte somit nicht wie die Philanthropen der Aufklärung die
Erziehung des einzelnen Individuums, sondern die geistige Formung einer
Nation an. Daher bildeten sich im Zuge des „Erwachens nationaler
Identitäten“ (Nationenbildung) ziemlich bald auch Ableger des Jahnschen
Turnens in der Schweiz (im Jahr 1802 wurde der Telliring als erster
öffentlicher Turnerplatz in der Schweiz angelegt).[3] Die enge
Verbindung mit dem frühen Burschenschaftswesen und die nationale
Ausrichtung, welche die Überwindung der deutschen Kleinstaaterei
anstrebte, führte in den meisten Kleinstaaten Deutschlands von
1820–1842 zum Verbot des Turnwesens, der so genannten Turnsperre. Die
Geschichte des Turnens sowie das Leben und Wirken von Friedrich Ludwig
Jahn ist im Friedrich-Ludwig-Jahn-Museum in Freyburg (Unstrut)
dargestellt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etablierte sich
das Turnen in den Schulen als obligatorisches Schulfach. In Deutschland
erweiterte Adolf Spieß das bis dahin übliche Gerätturnen um die
Freiübungen.[4] Da es nach der Reichsgründung 1871 zu einer staatlichen
„Schulreform von oben“ her kam, entwickelten sich in Deutschland das
Vereins- und Schulturnen auf zwei verschiedenen Schienen weiter (siehe
auch Schulsport). Anders verlief dieser Prozess in der Schweiz. Durch
die erfolgreiche 1848er-Revolution gingen die liberal-national
gesinnten Turner den gleichen Weg wie der Bundesstaat. In der Folge
konnte sich der Eidgenössischen Turnverein rege in die Diskussion um
die Gestaltung des Schulturnens mit einbringen (z. B. bei der
Gestaltung des Lehrmittels). Einzelne Exponenten wie der Schweizer
Turnvater Johann Niggeler avancierten dabei zu direkten Beratern des
Bundesrates.[5]
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